Per Anhalter durch meine Galaxis - Gedanken und Geschichten nicht nur von dieser Welt

"The following statement is false:
The previous statement is true.
Welcome to our corner of the universe

Anonymous
Seefra Denizen
CY 10210"
(Andromeda: The Past is Prolix)

Sonntag, 1. April 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 8: Totenglöckchen

Totenglöckchen

"Man nehme …." Helene beugte sich tief über das aufgeschlagene Kochbuch. "Ja, genau. Was eigentlich nehmen wir diesmal?" Sie richtete sich auf, ergriff das Buch und trug es hinaus in den Garten. Sie legte es auf den runden, grauen Marmortisch und begann, zwischen ihren Kräuterbeeten hindurch zu spazieren.
Sie beobachtete eine Zeit lang die ersten Bienen, die dienstbeflissen in der lauen Aprilluft um die frühen Blüten herumschwirrten. Helene atmete den Duft der Jahreszeit ein und schloss die Augen. "Erdnüsse," erinnerte sie sich, "hatten wir zuletzt."
Sie kaufte nur ungern die wichtigsten Bestandteile für ihre Rezepte. Normalerweise waren die Erzeugnisse ihres Gartens ausreichend. Und vor dem Winter holte sie immer eine große Auswahl an Pflanzen in ihr Häuschen hinein, manche zum Trocknen, manche, um in Töpfen Ableger zu ziehen, die sie dann im Frühjahr teils an ihre Schwestern oder Freundinnen verschenkte und teils wieder im Garten ausbrachte.
Aber gerade im vergangenen Winter hatte sie beschlossen, dass doch ein wenig Abwechslung in ihre Rezepturen kommen sollte.
Helene musste lächeln, als sie an die Flasche Spätburgunder dachte, die sie dem Anwalt zum Geburtstag geschickt hatte, diesem verlogenen, geldgeilen Mistkerl. Dass diese Typen sich nie dafür interessierten, wer sie beschenkte. Die nahmen und gierten und griffen bloß immer alles ab, was sich ihnen bot. Also beschenkte Helene sie großzügig.
Zugegebenermaßen stammte die Idee mit den zermahlenen Nüssen, die sie dem Rotwein zugesetzt hatte, nicht von ihr, sondern aus einem Roman, den sie ein paar Jahre zuvor gelesen hatte. Zudem war es reines Glück gewesen, dass sie von der starken Nussallergie des Anwalts erfahren hatte.
Auch die Muskatnüsse hatte sie selbstverständlich nicht selbst gezogen, die sie gerieben und in Gelatinekapseln gefüllt hatte, um sie dem Geschäftspartner ihres geliebten, seligen Arno anstelle der Vitaminpräparate unterzuschmuggeln, die er ständig im halben Dutzend schluckte.
Wenn er nicht immer diesen Dreck in sich hineingeschüttet hätte, dachte sie mit einem Anflug von Bitterkeit, sondern sich anständig ernährt hätte, mit Gemüse und Obst und Kräutern....
Ihr Blick entspannte sich, als sie ihn über ihren Garten schweifen ließ, der so wunderbare, gesunde Dinge hervorbrachte. So tödliche Dinge, wenn man nur wusste, wie....
Dieser Mistkerl, dachte sie lächelnd. Hat sich immer als Freund präsentiert, aber wo war er, als ihr Arno seine Hilfe gebraucht hätte? Natürlich hatte er nichts mit der Sache zu tun gehabt, behauptete er. Natürlich war das ganz alleine Arnos Idee und Schuld und …
Nun ja, Arnos Geschäftspartner hatte weiterhin fleißig seine … Vitaminpräparate geschluckt und nach wenigen Tagen leider begonnen, zu halluzinieren. Und leider muss er eines Tages eine solche Halluzination ausgerechnet während einer Fahrt mit seinem schicken, gelben Porsche gehabt haben. Sic transit gloria mundi. In Qualm und dem Gestank von brennendem Fleisch in einem schmelzenden Metallhaufen.
Und Arno?
Helene kniete sich zwischen zwei Beeten auf die Erde und ließ sich vom Schmerz der Erinnerung umspülen.
Ihr Arno war ins Gefängnis gegangen. Für etwas, das er nicht getan hatte. Sein Geschäftspartner, der angeblich sein Freund war, sein Anwalt, der ihn hätte entlasten sollen, dieser Richter, der das Urteil gesprochen hatte, der die Untersuchung leitende Kriminalbeamte, der Gefängnisdirektor. Sie alle trugen die Schuld an den Konsequenzen.
Denn Arno hatte schließlich die Strapazen der Haft nicht mehr ertragen. Er war nicht mehr jung, nicht mehr ganz gesund gewesen. Seinen Freitod hatte man allerdings als endgültiges Schuldgeständnis angesehen.
Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Pflege, ein bisschen mehr Interesse des Direktors an den Vorgängen innerhalb seines Gefängnisses hätten Arnos Leben vielleicht retten können. Aber dem Schweinehund war es ja egal gewesen, wie sehr Arno litt, wie sehr sie gebettelt hatte, um eine Verlegung Arnos in ein Krankenhaus mit allen Sicherheitsvorkehrungen, die der Herr Direktor nur für nötig hielt. Aber mit all dem war sie beim … Herrn Direktor auf taube Ohren gestoßen.
Seine volle Aufmerksamkeit erfuhr interessanterweise das Chutney aus grünen Tomaten, das sie ihm um Weihnachten herum schickte, versetzt mit einer beträchtlichen Menge pürierter, roher, grüner Samenbeeren ihrer selbstgezogenen Kartoffeln. Nichts ging doch über dieses wunderbare Solanin in entsprechender Dosierung. Und nichts, was eine gehörige Portion Knoblauch nicht geschmacklich wunderbar getarnt hätte.
Ganz besonders stolz aber war sie auf den Aufguss und die Lotion aus ätherischen Ölen, den sie dem Richter hatte zukommen lassen, diesem fetten, bestechlichen Schwein, das seinen Wanst allabendlich in seiner privaten Sauna heraushängen ließ.
Ihre ältere Schwester Elisabeth hatte sie darauf hingewiesen, dass das Blausäure entwickelnde Amygdalin nicht unbedingt verzehrt werden musste. Selbstverständlich tat es auch seine Wirkung, wenn es eingeatmet oder, und das war der Clou gewesen, auf schweißnasse Haut aufgetragen wurde.
Helene erhob sich und gluckste bei der Erinnerung an ihre letzte Aprikosenernte, die neben den süßen Früchten natürlich auch eine Unmenge an Kernen mit dieser tödlichen Fracht gebracht hatte.
Sie ging ein paar Schritte weiter und kniete dann vor einem Kräuterbeet nieder, aus welchem ihr ein starker Knoblauchgeruch entgegenwehte.
"Allium ursinum," flüsterte sie schwärmerisch.
Diesen Samstag würde sie einen Kräuterstand auf dem Markt eröffnen. Nur diesen einen Samstag. Sie würde zur Stelle sein, wenn die Ehefrau dieses Kriminalbeamten zum Einkaufen zu ihr kam. Dieses Kriminalbeamten, der die gefälschten Papiere in Arnos Unterlagen versteckt und mit der Verhaftung seine Beförderung gesichert hatte.
Helene würde dieser Frau etwas empfehlen. Ein raffiniertes Bärlauchpesto zu Fettuccine vielleicht? Dann würde sie ihr einen ganz besonders saftigen Bund Bärlauch verkaufen. Nie im Leben würde die Frau die Blätter der Convallaria majalis dazwischen erkennen oder auch nur vermuten.
Lächelnd drehte Helene sich zu dem anderen Beet herum und pflückte ein Blättchen nach dem anderen von dieser anderen Pflanze, die dem Bärlauch zum Verwechseln ähnlich sah, aber leider hochgiftig war.
Dieses Jahr wuchsen sie aber wieder wirklich üppig, diese Maiglöckchen.



Anmerkung der Autorin: Ich selber stehe auch ohne Convallaria majalis nicht so auf Bärlauch, aber wer Lust auf ein nicht-lethales Bärlauchpesto hat, der kann ja mal das von FabrieJacq auf Carolas Hausfrauenseite probieren.

Copyright Esther Koch 26.03.2012

1 Kommentar:

Wolfgang Weitzdörfer hat gesagt…

So, Mädsche,
jetzt hast aber endlich mal ordentlich vom Leder gezogen!! Und so kreativ, beim Morden...
Note to self: niemals, unter gar keinen Umständen, verzehrbares Geschenk von Trillian annehmen... :-)