Per Anhalter durch meine Galaxis - Gedanken und Geschichten nicht nur von dieser Welt

"The following statement is false:
The previous statement is true.
Welcome to our corner of the universe

Anonymous
Seefra Denizen
CY 10210"
(Andromeda: The Past is Prolix)

Montag, 30. April 2012

Learning English with Lyrics: Imagine

Die Vision des großen John Lennon: Imagine. Dies ist eine Aufnahme mit Text.
Hier haben wir nur den Originaltext.


Stell dir vor

Stell dir vor, es gäbe keinen Himmel
Es ist einfach, wenn du's nur versuchst
Keine Hölle unter uns,
über uns nur das All.

Stell dir vor, wie alle Menschen
nur für das Heute leben.

Stell dir vor, es gäbe keine Länder.
Das ist gar nicht so schwer.
Nichts, wofür man töten oder sterben sollte
und auch keine Religion.

Stell dir vor, wie alle Menschen
ihr Leben in Frieden leben.

Du sagst vielleicht, ich bin ein Träumer,
aber da bin ich nicht der einzige.
Ich hoffe, dass du eines Tages einer von uns wirst,
und dass die Welt wie Eins existieren wird.

Stell dir vor, es gäbe keine Besitztümer.
Ich frage mich, ob du das kannst.
Kein Grund für Gier oder Hunger,
eine Menschen-Bruderschaft.

Stell dir vor, wie alle Menschen
sich die ganze Welt teilen.

Du sagst vielleicht, ich bin ein Träumer,
aber da bin ich nicht der einzige.
Ich hoffe, dass du dich uns eines Tages anschließt,
und dass die Welt wie Eins leben wird.


Selten macht das Übersetzen so viel Freude wie in diesem Fall. Ein Text mit einfachen, klaren Sätzen und einer deutlichen Botschaft. Aber ich übersetze ja nur. Ich interpretiere nicht (oder versuche zumindest, es zu vermeiden, falls es nicht für die Übersetzung unbedingt notwendig ist).
Einziger kleiner Stolperstein war die Übersetzung der Wörter "heaven" und "sky" in der ersten Strophe. Beide Wörter werden ins Deutsche eigentlich mit "Himmel" übersetzt. Siehe unten ...
Auch hier haben wir wieder kurze, grammatikalisch weitgehend "saubere" Sätze und ein sehr langsames Tempo. Man kann also versuchen, mitzusingen, leider ist die Aufnahme etwas dumpf und daher nicht so klar verständlich und damit als Ausspracheübung nur bedingt geeignet.
Aber viele nützliche, einfache Vokabeln gibt es auch in diesem Song abzustauben!


Vocabulary:

to imagine - sich ausmalen, sich etwas vorstellen
heaven - Himmel (im religiösen Sinn)
to try - versuchen
hell - Hölle
below - unter, unterhalb
above - über, oberhalb
sky - Himmel (der sichtbare Himmel mit Wolken bzw. Sternen)
people - Leute
today - heute (hui, das hätte sich im Deutschen sogar gereimt, John!)
country - Land (Mehrzahl: countries)
hard - schwer (im Sinne von: schwierig)
to kill - töten
to die - sterben
peace - Friede
to dream - träumen
dreamer - Träumer
to hope - hoffen
to join - sich verbinden, sich anschließen, sich zusammentun
possession - Besitz
to wonder - sich fragen, gespannt sein
greed - Gier
hunger - Hunger (endlich eine Vokabel, die man sich leicht merken kann!)
brotherhood - Bruderschaft
to share - teilen


Erklärung:
Die deutschen Übersetzungen der Songtexte in allen Kapiteln der Kategorie "Learning English with Lyrics" wurden nirgendwo kopiert, abgeschrieben oder sonstwie entlehnt, sondern von mir persönlich angefertigt.
Etwaige Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen mit bereits irgendwo in den Weiten des Internets vorhandenen Übersetzungen sind allerdings nicht rein zufällig, sondern rühren daher, dass es zwar rein theoretisch mehr oder weniger unendlich viele Möglichkeiten gibt, einen fremdsprachigen Text ins Deutsche zu übersetzen, aber nicht alle davon Sinn ergeben. Und im Falle einer Ähnlichkeit oder Übereinstimmung hat entweder der Inhaber der Seite mit der ähnlichen oder übereinstimmenden Übersetzung von mir abgeschrieben, oder wir waren uns einfach nur einig darüber, welches die beste Übersetzung ist.
Von den Inhalten der Seiten, auf die die Links dieser Seite verweisen, distanziere ich mich ausdrücklich.

Learning English with Lyrics: Burn It Down

Der Song "Burn it Down" ist die derzeit aktuelle Single der amerikanischen NuMetal-Band Linkin Park. Hier ist der Originaltext zu finden. Und anhören kann man sich den Song hier.


Brenne es nieder

Chester:
Der Zyklus wiederholte sich,
als Explosionen im Himmel brandeten.
Alles, was ich brauchte,
war das eine, das ich nicht finden konnte.

Und du warst da am Wendepunkt
Hast gewartet, mich wissen zu lassen

Refrain:

Wir bauen es auf,
um es wieder nieder zu reissen.
Wir bauen es auf,
um es nieder zu brennen.
Wir können es nicht abwarten,
es bis auf den Grund nieder zu brennen.

Chester:

Die Farben bissen sich,
während die Flammen in die Wolken stiegen.
Ich wollte es in Ordnung bringen,
aber ich konnte nicht umhin, es nieder zu reissen

Und du warst da am Wendepunkt
gefangen in der brennenden Glut.
Und ich war da am Wendepunkt
Habe gewartet, um dich wissen zu lassen

Refrain:

Wir bauen es auf,
um es wieder nieder zu reissen.
Wir bauen es auf,
um es nieder zu brennen.
Wir können es nicht abwarten,
es bis auf den Grund nieder zu brennen.

Mike (rap part):

Du hast "Ja" zu mir gesagt, du hast mich wertgeschätzt,
Und ich glaubte es, als du diese Lüge erzähltest
Ich spielte Soldat, du spieltest König
und schlugst mich nieder, als ich diesen Ring küsste.
Du hast das Recht verloren, diese Krone zu tragen.
Ich baute dich auf, aber du hast mich im Stich gelassen.
Wenn du also fällst, dann bin ich dran
und fache die Flammen an, während dein Inferno brennt.

Chester:

Und du warst da am Wendepunkt
Hast gewartet, mich wissen zu lassen

Refrain:

Wir bauen es auf,
um es wieder nieder zu reissen.
Wir bauen es auf,
um es nieder zu brennen.
Wir können es nicht abwarten,
es bis auf den Grund nieder zu brennen.

Mike: Wenn du fällst, dann bin ich dran
und fache die Flammen an, während dein Inferno brennt.

Chester: Wir können es nicht abwarten,
es bis auf den Grund nieder zu brennen.

Mike: Wenn du fällst, dann bin ich dran
und fache die Flammen an, während dein Inferno brennt.

Chester: Wir können es nicht abwarten,
es bis auf den Grund nieder zu brennen.

Auch hier habe ich versucht, eine nicht zu weit hergeholte Übersetzung anzufertigen, die trotzdem im Kontext noch Sinn ergibt.
Man muss, wenn man sich einen Songtext sprachlich näher betrachtet, immer unterscheiden zwischen den einzelnen Vokabeln, die, wenn man sie nachschlägt, immer noch massenhaft Bedeutungen haben, und den Wörtern im Zusammenhang eines Satzes, einer Strophe. Auch hier jedoch kann man die Übersetzungsmöglichkeiten zwar eingrenzen, reduzieren, aber trotzdem bleiben manchmal auch noch mehr als eine Möglichkeit übrig. Da darf dann der individuellen Interpretationslust freien Lauf gelassen werden.
    Denn immerhin greift der Songschreiber ja auch mit beiden Händen in den Vokabel-, Phrasen- und Bedeutungstopf seiner Sprache und bedient sich daraus auch nicht immer Grammatiklehrbuch-konform! Auch das darf man nicht vergessen!

Entsprechend sei folgendes meinerseits an dieser Stelle angemerkt: In diesem, wie auch in allen zukünftigen Fällen, übernehme ich keinerlei Garantie für die Korrektheit meiner hier selbst angefertigten Übersetzungen und auch keine Haftung für Schäden, die eventuell aus ihrer Verwendung außerhalb dieses Blogs entstehen!
    Es lebe die dichterische Freiheit!



Vocabulary:

cycle - Kreislauf, Zyklus
to repeat - (sich) wiederholen
to break - viele Übersetzungsmöglichkeiten hier ( http://www.dict.cc/?s=break ) (unregelmäßiges Verb: break - broke - broken)
sky - Himmel
to need - brauchen, benötigen
to burn to the ground - bis auf den Grund niederbrennen
turn - Interpretationssache, wie man das übersetzen möchte. Hier ( http://www.dict.cc/?s=turn  ) die Auswahl.
color - Farbe (amerikanische Schreibweise von colour)
to climb - steigen, klettern
cloud - Wolke
to fix - reparieren, in Ordnung bringen
to catch - fangen (unregelmäßiges Verb: catch - caught - caught)
glow - Glut, Glühen
to hold someone high - jemanden wertschätzen
lie - Lüge
soldier - Soldat
king - König
crown - Krone
to fan - anfachen, Luft zufächeln
blaze - Brand, Feuersbrunst


Phrasal verbs:
Interessante Infos zu den sogenannten phrasal verbs sind hier zu finden.

to build up - aufbauen
to break down - zusammenbrechen, kaputtgehen; to break something down - etwas kaputt machen
to burn down - niederbrennen
to tear down - niederreissen
to strike down - niederschlagen
to let down - im Stich lassen, enttäuschen
(alles in allem ein ziemlich negativer Song, scheint's...)


Erklärung:
Die deutschen Übersetzungen der Songtexte in allen Kapiteln der Kategorie "Learning English with Lyrics" wurden nirgendwo kopiert, abgeschrieben oder sonstwie entlehnt, sondern von mir persönlich angefertigt.
Etwaige Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen mit bereits irgendwo in den Weiten des Internets vorhandenen Übersetzungen sind allerdings nicht rein zufällig, sondern rühren daher, dass es zwar rein theoretisch mehr oder weniger unendlich viele Möglichkeiten gibt, einen fremdsprachigen Text ins Deutsche zu übersetzen, aber nicht alle davon Sinn ergeben. Und im Falle einer Ähnlichkeit oder Übereinstimmung hat entweder der Inhaber der Seite mit der ähnlichen oder übereinstimmenden Übersetzung von mir abgeschrieben, oder wir waren uns einfach nur einig darüber, welches die beste Übersetzung ist.
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Sonntag, 29. April 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 12: Das Bad der wunden Müh, den Balsam kranker Seelen

Das Bad der wunden Müh, den Balsam kranker Seelen

    Max liebte diesen Job. Er hatte wirklich Glück gehabt. Die meisten seiner Kommillitonen mussten in staubigen Lagerhäusern oder fettriefenden Schnellrestaurants den Sommer verbringen. Da war der Job in der Therme schon etwas Anderes. Gut, die feuchte Wärme hätte vielleicht auch nicht jedem zugesagt. Max jedoch empfand sie als angenehm. Und wirklich schwer war die Tätigkeit auch nicht. Ab und zu musste er mit einer überbreiten Gummilippe an einem langen Stiel das aus den Becken getragene oder geschwappte Wasser wieder zurückschieben, damit sich kein rutschiger Film auf dem kleingefliesten Boden bilden konnte.
    Außerdem half er den Bademeistern, ein Auge darauf zu haben, dass keine Jugendlicher vom Beckenrand auf irgendwelche Omis draufsprang. Aber meistens schob er eben Wasser von den Laufflächen zurück in die Becken oder wischte die Böden in den Ruheräumen.
    Max fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und beschloss, eine kurze Pause einzulegen. Er lehnte sich vor den Ruheräumen an die Wand und zückte sein Handy. Eine Nachricht von seiner Freundin. Er lächelte und tippte eine kurze Antwort ins Display.
    Er steckte das Handy wieder in die Tasche, nahm Mopp und Eimer und öffnete die Tür zur mittelgrün gefliesten Ruheoase. Kurz sah er sich in dem halbdunklen, warmen Raum um.
    An der gegenüberliegenden Wand lag eine Person, in einen Bademantel gehüllt, die Füße und das Gesicht mit Handtüchern bedeckt. Er spürte, wie sich die Tür fast lautlos hinter ihm schloss. Bewegungslos blieb er stehen, den Stiel seines Arbeitsgerätes in der Hand. Leise plätscherte der kleine Trinkwasserbrunnen in der Mitte des Raumes. Die Person auf der hintersten Pritsche rührte sich nicht.
    "Schläft," dachte Max und machte sich behutsam an die Wischarbeit. Langsam arbeitete er sich mit seinem breiten Wischmopp ins Halbdunkel vor.
    Ungefähr in der Mitte des Raumes fiel ihm auf, dass die glänzende Feuchtigkeit auf dem Boden dunkler wurde. Er tauchte den Mopp in sein Wischwasser. Auch dieses färbte sich dunkel.
    Er ging in die Hocke, fuhr mit der flachen Hand über den feuchten Boden und betrachtete danach seine Handfläche aus der Nähe. Rot!
    Max ließ seinen Moppstiel los und sprang auf. Mit zusammengekniffenen Augen beugte er sich vor und folgte der in der Entfernung schmaler werdenden dunklen Spur bis hin zur Pritsche, auf die die bewegungslose Gestalt gebettet war. Vorsichtig schlich er auf die Liege zu.
    Er räusperte sich. "Entschuldigung," flüsterte er. Dann lauter, "Hallo, hören Sie mich?"
    Er schaute auf den Boden zu seinen Füßen und bemerkte, dass er in einer dunklen Pfütze stand.
    "Scheiße," flüsterte er.
    Er überlegte kurz, ob er den Körper vor sich berühren sollte, vielleicht sogar versuchen sollte, ihn umzudrehen. Dann schüttelte er den Kopf, drehte sich um und verließ zügig den Ruheraum.
    Ohne zu merken, dass er mit seinen Badeschuhen rote Spuren hinterließ, lief Max zur Bademeisterkabine, in der Klaus, sein Vorgesetzter, gerade saß und telefonierte.
    "Wieviele Würstchen soll ich denn nun mitbringen?" Pause. "Meinst Du, das langt?" Pause. "Ach ja, der Kartoffelsalat. Gut."
    Max rang mit der Entscheidung, ob es denn wohl wirklich als unhöflich angesehen würde, wenn er seinen Grill-Party-planenden Boss unterbrechen und darauf hinweisen würde, dass möglicherweise eine Leiche in der Ruheoase herumlag. Da sah sein Chef ihn an, blickte zufällig an ihm hinab und entdeckte die roten Spuren, die Max, wenn auch nur noch sehr schwach, in die Kabine hineingetragen hatte.
    Ohne die Augen von dem beschmutzten Boden zu nehmen, sagte Klaus, "Du, ich muss Schluss machen. Ich bring lieber mehr mit. Was übrig ist, frierst du ein. Bis nachher."
    Klaus hängte ein und stand auf. "Was ist denn los? Siehst du nicht, was für einen Dreck du machst? Und warum bist du so bleich? Hast du dich verletzt?"
    Max folgte dem Blick seines Chefs und entdeckte die roten Spuren. Dann betrachtete er seine blutige Hand und spürte Übelkeit in sich aufsteigen.
    "Da, in der Ruheoase," stammelte er. "Da liegt einer."
    "Reiß dich zusammen, Junge!" Klaus packte Max an den Schultern und schüttelte ihn leicht. "Komm mit." Er steckte sein Handy ein und schob Max vor sich her aus der Kabine.
    Als sie sich dem Ruheraum näherten, empfing sie ein gellender Schrei.
    "Mist!" Max und Klaus rannten los, schoben Badegäste beiseite und stießen die Tür zur Ruheoase auf. Vor ihnen auf dem Boden saß eine Frau im Badeanzug, mit dem Rücken zur Tür, die Beine von sich gestreckt und leise stöhnend.
    Die beiden Männer gingen zu ihr, um ihr aufzuhelfen. "Ich … ich bin ausgerutscht," flüsterte sie heiser mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    Klaus zog die Frau auf die Füße und sah, worauf sie ausgerutscht sein musste. Ihre Beine, Hände und das Hinterteil ihres Badeanzuges waren dunkelrot gefärbt.
    "Dahinten, Chef," sagte Max und zeigte auf die bademantelumwickelte Gestalt, die immer noch auf der hintersten Pritsche lag.
    "Bring die Frau raus und sag den Sanis Bescheid," wies Klaus Max an.
    Max stützte die Frau und hoffte, dass ihr makaberes Aussehen keine Panik unter den Badegästen auslösen würde. Er trat mit ihr hinaus und sagte zu den umstehenden Neugierigen: "Alles okay, liebe Leute, wir haben alles im Griff. Gehen Sie bitte wieder ins Wasser. Und nicht ohne Badeschlappen über die nassen Fliesen rennen. Sie sehen ja …." Er wunderte sich selbst, wo er noch seinen Humor her nahm.
    Zum Glück war die Bademeisterkabine nicht weit entfernt. Dort würde er die Frau hinsetzen damit sich einer der Sanitäter um sie kümmern konnte.
*
    Klaus wagte sich unterdessen näher an die reglose Gestalt heran. Langsam griff er nach dem Handtuch, das über ihrem Gesicht lag. Mit zwei Fingern zog er es vorsichtig weg.
    "Verdammte Schei..." die letzte Silbe blieb ihm im Hals stecken. Eine Frau, Augen und Mund weit aufgerissen, genau wie ihre Kehle!
    Klaus ließ das Handtuch fallen und lehnte sich mit zusammengekniffenen Augen an die Wand.
    "Atmen!" erinnerte er sich schließlich selbst. Er sog die stickige Luft ein. "Ich muss hier raus."
    Langsam, um nicht ebenfalls in der Blutlache auszurutschen, verließ er den Ruheraum und lehnte sich außen an die geschlossene Tür. Besucher schauten ihn im Vorbeigehen an.
    "Volker!" rief Klaus einem anderen Bademeister zu, den er in der Nachbarhalle stehen sah.
    Volker drehte sich um, sah seinen Chef und kam gemächlich heran spaziert. "Was gibt's? Bleibt's bei 18 Uhr heut' Abend?"
    Ach, die Grill-Party. Egal jetzt. "Das … darum geht's jetzt nicht. Stell dich hier hin und lass niemanden rein. Sag den Leuten, der Raum wird desinfiziert oder so was." Klaus machte sich auf den Weg zur Bademeisterkabine.
    "Aber was …?" rief Volker ihm nach.
    "Stell keine Fragen, mach, was ich dir gesagt hab!" brüllte Klaus zurück.
    In der Aufsichtskabine wurde die gestürzte Frau gerade von zwei Sanitätern untersucht. Einen davon zog Klaus auf die Seite.
    "Hören Sie, mein Gehilfe hier wird Ihnen jetzt im Ruheraum etwas zeigen. Ich glaube nicht, dass Sie da noch was machen können, aber … ich weiß ja auch nicht. Max, bitte."
    Max schluckte schwer, verließ aber mit dem Sanitäter die Kabine.
    Dessen Kollege war gerade dabei, der Frau im Bademantel, den Max ihr besorgt hatte, beim Aufstehen zu helfen. "Ich werde Sie jetzt zu ihrem Spind begleiten, da holen Sie Ihre Sachen und dann fahren wir mal in die Klinik. Sicherheitshalber."
    Dann fügte er, an Klaus gerichtet hinzu. "Ich glaube nämlich, sie hat sich auch den Kopf gestoßen. Behauptet, ein Typ in 'nem schwarzen Mantel, aber ohne Gesicht hätte sie im Ruheraum geschubst." Er machte eine kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger auf Höhe seiner Schläfe.
    Behutsam führte er die Frau aus der Kabine und wäre fast von seinem Kollegen umgerannt worden, der gerade herein gestürzt kam.
    "Haben Sie schon die Polizei verständigt?" fragte er Klaus.
    "Nein. Das mache ich jetzt."
    "Aber schleunigst!" befahl der Sanitäter und half seinem Kollegen, die verdutzt dreinblickende Patientin im Bademantel hinauszuführen.
    "Na dann," seufzte Klaus. "Max, lauf vor zur Kasse und sag denen, dass sie schließen sollen. Wir brauchen nicht noch mehr Schaulustige, wenn's gleich hoch her geht."
    "Alles klar," antwortete Max und verschwand wieder aus der Kabine.
    Klaus schloss die Tür hinter ihm und rief die Polizei an.
*
    Keine zehn Minuten später waren die Beamten eingetroffen und hatten begonnen, das Gelände abzusperren, den Tatort zu sichern und die Personalien sämtlicher anwesenden Gäste und Angestellten aufzunehmen.
    Allmählich leerte sich das Schwimmbad, während Kommissar Reinhold sich von einem zitternden, auf einem Hocker zusammengesunkenen Max zum dritten Mal erzählen ließ, wie er die Leiche entdeckt hatte.
    Klaus schaltete sich ein: "Meinen Sie, Herr Inspektor, dass die Geschichte beim zwölften Mal anders klingt?"
    "Kommissar!" korrigierte Reinhold.
    "Oh, Entschuldigung," erwiderte Klaus mit ironischem Tonfall, "Herr Kommissar! Außerdem hat nicht der Junge die Leiche entdeckt, sondern ich."
    Kommissar Reinhold richtete sich auf und sah Klaus wortlos in die Augen.
    "Er hat nur das Blut entdeckt. Um den Körper hinten in der Ecke hat er sich nicht weiter gekümmert," fuhr Klaus fort.
    "Das sagt ER," entgegnete Reinhold, ohne den Blick von Klaus' Gesicht zu wenden.
    "Max," sagte Klaus, dem Blick des Kommissars standhaltend, "von jetzt an sagst Du nichts mehr ohne Rechtsbeistand. Der Herr … Kommissar … unterstellt Dir offensichtlich was."
    "Mir?" Max erhob sich und starrte den Polizisten an. "Aber … was denn? Ich hab doch nichts getan. Ich hab nur da gewischt und da war schon das Blut. Ich hab nichts damit zu tun."
    "Ist schon gut Max," wandte sich Klaus an ihn. "Du gehst jetzt nach Hause. Wir sehen uns morgen."
    Max nickte und schlich schweigend aus der Bademeisterkabine.
    Ein weiterer Beamter trat herein. "Wir haben jetzt alle Personalien aufgenommen. Die letzten Gäste dürften in spätestens 15 Minuten draußen sein."
    "Danke, Sawatzki," antwortete Kommissar Reinhold. "Dann sehen wir uns nochmal den Tatort an."
    "Da brauchen Sie mich wohl nicht dabei, oder?" fragte Klaus.
    Reinhold sah Klaus, der einen guten Kopf größer war als er selbst, noch einen Moment prüfend an. Dann lächelte er eisig.
    "Danke. Ich melde mich dann schon." Das Lächeln verschwand schlagartig, Reinhold drehte sich schwungvoll um und schritt aus der Kabine in Richtung Ruheoase.
*
    Der grüne Ruheraum war nun erhellt durch die Deckenbeleuchtung, die sonst nur während der täglichen Grundreinigung und Desinfektion eingeschaltet wurde. Gelegentlich flammte ein Blitzlicht auf. Männer und Frauen in weißen Overalls und Latexhandschuhen wuselten herum.
    "Dorn!" rief Reinhold dem Arzt zu. "Was haben wir?"
    "Weibliche Leiche, circa 35 Jahre, Todesursache …. " Dorn zögerte.
    "Ja? gibt’s da Probleme?" fragte Reinhold und betrachtete die Blutlache  hinter sich und den klaffenden Riss in der Kehle der Frau, die vor ihm lag.
    "Nun, jemand hat ihr die Kehle … durchgeschnitten, dabei den Kehlkopf verletzt. Morgen kann ich Dir sagen, ob sie verblutet oder an ihrem Blut erstickt ist," erklärte der Mediziner. "Ich vermute letzteres."
    "Kampfspuren?"
    Der Arzt schüttelte den Kopf. "Es kann sogar sein, dass sie im Schlaf überrascht wurde."
    Angewidert verzog Reinhold das Gesicht. "Sie wurde also hier umgebracht?"
    Dorn nickte. "Schau Dir doch das ganze Blut hier an. Außerdem hätte sie nach einer solchen Verletzung nicht hier her transportiert werden können, erstens ohne dass das jemand mitbekommt, und zweitens ohne schon auf dem Weg hierher eine riesige Sauerei zu veranstalten."
    Reinhold beugte sich über die Frau und betrachtete die Wunde. "Es sei denn, sie wurde nicht durch die Tür hereingebracht."
    "Na, durch den Trinkwasserbrunnen da ist sie sicher nicht herein gequetscht worden," lachte Dorn. "Ich vermute, sie hat da gelegen und gedöst oder geschlafen. In Anbetracht der Position, in der ihr Kopf sich befand, schätze ich, dass der Angreifer mit einer Hand ihre Haare gepackt und den Kopf nach hinten gerissen hat. Mit der anderen Hand hat er ihr praktisch in der gleichen Sekunde die Kehle durchtrennt."
    "Sie hatte also keine Chance," flüsterte Reinhold. "Dieses Schwein."
    "Schaut euch ruhig die Badegäste und Angestellten genau an. Könnte sein, dass euer Täter dabei ist," sagte Dorn.
    "Wieso?"
    "Weit kann er nach der Tat nicht gekommen sein. Sie ist erst eine, sicherlich noch keine zwei Stunden tot."
    "Hoffentlich waren wir schnell genug," murmelte Reinhold. "Haben wir die Mordwaffe?"
    "Du wirst lachen," antwortete Dorn. "Die haben wir vermutlich sogar."
    "Wieso vermutlich?"
    "Na, du weißt doch, ohne Laborbericht …"
    Inspektor Sawatzki reichte Reinhold eine durchsichtige Plastiktüte mit einer Nummer darauf und einem blutigen Gegenstand darin.
    "Was zum …?"
    "Eine Gabel," erklärte Sawatzki. "Aus der Cafeteria hier in der Therme."
    "Und damit hat er ihr ...?"
    Dorn nickte. "Auf den ersten Blick kann das hinhauen. Ihre Verletzung ist ja kein glatter Schnitt."
    Reinhold gab dem Inspektor die Tüte zurück. "Fingerabdrücke, DNA-Spuren, das Übliche. Mit ein bisschen Glück hat das Schwein die gleiche Gabel zweckentfremdet, mit der er vorher selbst gegessen hat."
    Sawatzki trat noch einmal auf Reinhold zu, diesmal mit einer größeren Tüte in den Händen. "Das interessiert Sie vielleicht auch, Chef."
    "Und was ist das jetzt?
    "Das haben wir hinter der Wartungsklappe dort gefunden." Der Inspektor deutete hinter sich, auf eine geöffnete, mit großer Nummer versehene Klappe neben der Tür. "Ein dunkelblauer Frotteebademantel mit Blutspuren."
    "Gut. Wir sehen uns dann."
    Die Hände in die Manteltaschen gestopft verließ Kommissar Reinhold die Ruheoase.
*
    Zwei Tage später begrüßte Dr. Friedrich Dorn seinen Kollegen Lutz Reinhold in seinem Büro.
    "Volltreffer. Wir haben DNA-Spuren. Und sogar Fingerabdrücke, aber die sind stark verschmiert. Schweißnasse Hände, schätze ich, und der halbherzige Versuch, die Mordwaffe am Bademantel abzuwischen."
    "Gut," Reinhold wandte sich halb um und griff nach der Türklinke, "dann lasse ich eine Liste der Männer ausdrucken, die am Mordtag in der Therme waren. Wenn wir DNA-Proben von denen …"
    Der Arzt schüttelte den Kopf. "Nun mal nicht so schnell, Lutz. Du hast von Anfang an angenommen, dass ein Mann der Täter ist. Warum eigentlich?"
    "Frauen machen nicht so eine Sauerei. Die arbeiten eher mit Gift. Oder mit irgendwas Anderem, das keine große Kraft erfordert."
    Dr. Dorn hob die Augenbrauen und reichte Reinhold seinen Bericht. "Dann muss ich dich aber herb enttäuschen. Die DNA-Probe stammt von einer Frau."
    Reinhold nahm das Blatt entgegen. "Dann hat der Mörder nicht seine eigene Gabel benutzt."
    "Das ist natürlich möglich. Aber … der Bademantel hat auch eine Konfektionsgröße für Frauen."
    Reinhold ließ die Hand mit dem Bericht sinken und starrte seinen Kollegen an.
    "Das mit der Gabel kann noch Zufall gewesen sein," fuhr dieser fort, "aber wer außer dem Mörder hätte den Bademantel dort verstecken sollen?"
    Der Kommissar nickte. "Also gut. Dann an die Arbeit."
*
    Drei Tage darauf sahen sich Reinhold und Sawatzki einem ernüchternden Ergebnis gegenüber.
    "Wir haben alle gründlich überprüft. Alle waren freiwillig zur Mitarbeit bereit. Sowohl die Badegäste als auch die Angestellten. Keine der Proben stimmt überein." Sawatzki ließ sich auf einen Stuhl fallen.
    "Ich bin sicher, dass wir etwas übersehen."
    "Oder jemanden," knurrte Reinhold. "Komm mit."
    Reinhold sprang auf und Sawatzki stürzte hinter ihm her aus dem Büro.
*
    "Ach, der Herr Kommissar!" rief Klaus den Beamten entgegen. "Max, schau nur, wer wieder hier ist."
    "Lassen Sie den Quatsch. Ich muss mit Ihnen reden. Und mit Ihrem … Gehilfen," er deutete auf Max.
    Die vier Männer gingen in die gläserne Bademeisterkabine.
    "Ich sage es ganz offen," begann Reinhold sofort. "Wir stecken in unseren Ermittlungen fest. Uns fehlt ein Stück des Puzzles. Also fangen wir noch einmal ganz von vorne an. Bei Ihnen, die die Leiche entdeckt haben."
    "Entdeckt?" sagte Klaus. "Wie werden also nicht mehr verdächtigt?"
    Reinhold schüttelte den Kopf. "Zum jetzigen Zeitpunkt … suchen wir eine Frau."
    "Eine Frau? Als Mörderin?" Klaus sah den Kommissar ungläubig an. "Damit pinkle ich mir vielleicht wieder selber ans Bein, aber … so was macht doch keine Frau."
    "Davon waren wir auch ausgegangen," schaltete Inspektor Sawatzki sich ein. "Aber die Indizien sprechen dafür."
    "Welche Indizien?" fragte Max aus dem Hintergrund.
    "Ist Ihnen zum Beispiel ein Badegast in einem dunkelblauen Bademantel aufgefallen?" fragte Sawatzki.
    Klaus und Max sahen einander an. Max schüttelte den Kopf, aber Klaus sagte, "Ich habe niemanden in einem dunkelblauen Bademantel gesehen, aber da war diese Frau, die in der Kabine auf dem Blut ausgerutscht und gestürzt ist. Die hat dem Sanitäter etwas von einer Gestalt in einem schwarzen Mantel erzählt. In dem dunklen Ruheraum kann ein dunkelblauer Bademantel schwarz aussehen."
    Sawatzki und Reinhold machten einen Schritt auf Klaus zu. "Rufen Sie sofort diesen Sanitäter herbei!" befahl Reinhold.
    Max griff zum Telefon.
*
    Der Bericht des Sanitäters hatte tatsächlich einen weiblichen Namen enthalten, der auf den Personalienlisten des Mordtages fehlte.
    Kommissar Lutz Reinhold, Inspektor Sawatzki und zwei Beamte in Uniform standen vor einem kleinen Einfamilienhaus.
    Reinhold klingelte. Die Tür wurde geöffnet.
    "Frau Annemarie Gruber?"
    Die dunkelhaarige Frau blickte die Männer nacheinander an, dann warf sie die Tür wieder ins Schloss.
    "Außen rum!" brüllte Reinhold, und die Polizisten rannten los. Reinhold folgte ihnen, während Sawatzki die Vorderseite des Hauses im Auge behielt.
    Als Reinhold um die Hausecke gelaufen kam, überwältigten die beiden Uniformierten gerade die Frau, die aus der Terrassentür zu fliehen versucht hatte.
*
    Die Kaffeemaschine auf dem Polizeirevier gab täglich bedenklichere Geräusche von sich. Aber solange der Kaffee leidlich genießbar war, würde sie wohl nicht ersetzt werden.
    Sawatzki schob Annemarie Gruber einen dampfenden Becher hin. Sie starrte ihn nur an und schluchzte leise.
    Der Inspektor setzte sich auf den Stuhl an der gegenüberliegenden Seite des Tisches. "Erzählen Sie es mir, Frau Gruber?"
    Zögernd und leise begann sie zu sprechen. "Ich habe sie zufällig gesehen. Da, in der Therme. Mein Arzt hat gesagt, ich soll versuchen, mich zu entspannen. Also ging ich in die Therme. Aber dass ich SIE da treffen sollte …"
    "Wer war sie denn?" fragte Sawatzki behutsam.
    "Das Flittchen, das meinen Sohn auf dem Gewissen hat. Ha, Gewissen. So was hatte die doch gar nicht. Hat ihm vorgelogen, dass sie ihn liebt. Hat ihn ausgenommen. Er hat alles für sie aufgegeben. Dann hat sie ihn fallen lassen. Von einem auf den anderen Tag. Er war so verzweifelt."
    Sie fing wieder an zu schluchzen. "'Mama,' hat er gesagt, 'was soll ich denn nur ohne sie machen?' Und dann ... dann hat er sich umgebracht. Er war doch erst einundzwanzig!"
    Sawatzki zog eine Packung Papiertaschentücher hervor und reichte sie der nun hemmungslos weinenden Frau. "Erzählen Sie mir mehr von dem Tag in der Therme. Sie haben sie zufällig gesehen …"
    "Ja." Annemarie putzte sich die Nase. "In der Cafeteria. Sie hat mich nicht gesehen. Ich war so wütend. Eigentlich wollte ich gleich da zu ihr gehen. Ihr eine reinhauen. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Dachte immer nur, dann spaziert sie hier auch wieder raus, und es gibt immer noch keine Gerechtigkeit für meinen Jungen. Da habe ich meine Gabel genommen und in die Tasche von meinem Bademantel gesteckt."
    "Ein dunkelblauer Bademantel?"
    Annemarie nickte und fuhr fort. "Ich bin ihr hinterher gegangen. Sie ging in diesen Ruheraum und legte sich hin. Ich habe mich auch hingelegt und gewartet, bis wir alleine waren. Dann bin ich zu ihr geschlichen und habe … mit der Gabel ..."
    Sie griff nach dem Kaffeebecher und leerte ihn zur Hälfte.
    "Und dann?"
    "Dann … habe ich die Gabel abgewischt und das Handtuch wieder auf ihr Gesicht gelegt. Ich hörte ein Geräusch, draußen direkt vor der Tür und ließ die Gabel fallen. Ein Schatten war vor der Glastür. Jemand wischte den Boden. Und dann kam er herein. Ich habe mich neben der Tür in eine dunkle Ecke gedrückt. Er hat mich nicht gesehen. Dann hat er … das Blut entdeckt und ging wieder hinaus, aber ich … meine Beine waren … wie gelähmt. Ich zog den Bademantel aus und versteckte ihn. Dann tat ich ein paar Schritte und stürzte. Zwei Männer kamen herein. Erst dachte ich, jetzt ist es aus, aber die beiden haben mir aufgeholfen. Und da wusste ich, wie ich entkommen konnte. Ich habe dem Sanitäter erzählt, ein Mann in einem schwarzen Mantel hätte mich umgestoßen, und ich hätte starke Schmerzen. Der Sanitäter hat mich ins Krankenhaus gebracht, bevor die Polizei kam."
    Sie brach ab und trank den Becher leer.
    "Darf ich jetzt wieder nach Hause zu meinem Sohn?" Annemarie blickte den Inspektor aus großen Augen an.
    Sawatzki seufzte, ging hinüber zum Telefon und wählte die Nummer des Polizeipsychologen.


Copyright Esther Koch 29. April 2012



Samstag, 28. April 2012

Häuslebau 2: Der Koch'sche Steinbruch

In der Hitze des Samstagnachmittags liegt schlafend die ebenerdige Baugrube des zukünftigen Koch'schen Anwesens.


Bewacht vom einarmigen Riesen Rubeus Kran.


Und einbeinig ist er auch noch ....


Die Sache nimmt wirklich in rasanter Geschwindigkeit Form an. Wobei Form vielleicht nicht das richtige Wort ist. Noch nicht.

Letzte und erste Bilder

Jetzt geht's lo-hos!

Nach zwei Jahren Dasein als Lückengrundstücksbesitzer beginnt nun unsere Zeit als Häuslebauer.
Als wir die Information erhielten, dass am folgenden Tag der Bagger käme, machte ich noch folgende Leergrundstück-Abschiedsfotos:
 Mittwoch, 25. April 2012, morgens

Die gelben Säcke sind übrigens NICHT die unsrigen....
Wir hatten an dem Tag nicht ganz so viele.

  Mittwoch, 25. April 2012, morgens


Am nächsten Morgen bot sich mir dann folgendes Bild:

 Donnerstag, 26. April 2012, morgens


Und als ich dann hoffnungsbeladen später am Tag noch mal vorbeischaute, war die Sache tatsächlich im Gange:

  Donnerstag, 26. April 2012, nachmittags

Der junge Mann vorn im Bild ist übrigens unser Bauleiter, der einen fachmännischen Blick auf die Erdarbeiten warf.


  Donnerstag, 26. April 2012, nachmittags 

 Das Beseitigen der überschüssigen Erde, das zwangsläufig notwendig wird, wenn man a) am Hang baut und b) den Luxus eines Kellers anstrebt, kostet in unserem Fall übrigens schlappe 6.600 Euronen, die natürlich im vorbesprochenen Pauschalangebot der Baufirma leider nicht enthalten waren.

Und das ist selbstverständlich nicht der einzige derartige Posten. Nach dem Jubel hat sich also schon der erste Katzenjammer eingestellt, den ich mir einfach mal gegönnt habe. Deswegen existieren keine Fotos vom Freitag, weil ich an dem Tag zu frustriert war, um das im Werden steckende Werk zu begutachten.

Ich wünschte, wir hätten schon früher den wunderbaren Hausbau-Blog einer anderen aktuell bauenden Familie entdeckt, der vor Tipps und Infos nur so strotzt, professionell aufgemacht ist und - nebenbei bemerkt - auch schönere Fotos hat, als sie hier zu finden sein werden.
Wer sich mit Baugedanken trägt, dem sei besagter Hausbau-Blog ans Herz gelegt.

 Mein heutiger Rat für Häuslebauer: "Problem ist nur ein negatives Wort für Herausforderung!" (Richard Fish)







Montag, 23. April 2012

Learning English with Lyrics: The Rose

Wenn wir mit Hilfe unseres Lieblingssongs unsere Englischkenntnisse aufmöbeln wollen, benötigen wir ein Wörterbuch, entweder aus Papier (Langenscheidt, Pons etc) oder Datenströmen (leo.org, dict.cc etc) und den Songtext (natürlich). Den finden wir entweder auf dem Cover des Tonträgers oder mittels einer Suchmaschine auf einer texteanbietenden Internetseite.
Eine schöne Übung für etwas fortgeschrittene Lerner ist es, zu versuchen, den Text nach Gehör aufzunotieren und erst hinterher zu kontrollieren, ob man richtig gelegen hat. So eine Art "rasantes Diktat mit musikalischer Untermalung".
Außerdem benötigen wir ein paar grammatikalische Grundkenntnisse oder einen VHS-Dozenten, der einem im Notfall auf die Sprünge hilft ...

Okay, let's get started.

Unser erstes Beispiel habe ich folgendermaßen aufgearbeitet:

Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich nicht den gesamten Originaltext hier wiedergeben. Der ist aber auf der Seite der Songschreiberin persönlich unter dem Link versteckt.

Die Übersetzung habe ich selbst angefertigt (auch aus urheberrechtlichen Gründen). Dabei habe ich nicht versucht, irgendwelche Reime oder Rythmen zu rekonstruieren. Solche Versionen dieses Songs lassen sich aber sogar auch im Netz finden. Sondern ich habe versucht, deutsche Sätze zu konstruieren, die die vorgegebenen Vokablen verwenden und den Sinn möglichst genau wiedergeben, ohne zu gestelzt zu wirken.

Dann gibt es ein paar Anmerkungen, die sich aber - auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht - hier noch in Grenzen halten, weil es ein "sauberer" Text ist. Was es damit auf sich hat, siehe unten. Möglicherweise ist das bei einem der kommenden Songs anders.

Und schließlich gibt es ein kleines Glossar zu dem Song. Die einzelnen Wörter haben natürlich immer mehrere Übersetzungen, wenn man sie nachschlägt. Es ist Übungssache, die richtige Wahl zu treffen. Manchmal liegt man auch nach zwanzig Jahren noch daneben. Never mind! Ich habe hier nur die Übersetzungen angegeben, die meiner Ansicht nach vom Kontext her zutreffen. Stellenweise ist natürlich Raum für Interpretationsvarianten!



Learning English with Lyrics: The Rose

The Rose written by Amanda McBroom

Die Rose

Manche sagen, die Liebe ist ein Fluss,
der das zarte Schilf ertränkt.
Manche sagen, die Liebe ist ein scharfes Messer,
das das deine Seele blutend zurücklässt.
Manche sagen, die Liebe ist Hunger,
ein endloses, schmerzendes Verlangen.
Ich sage, die Liebe ist eine Blume.
Und Ihr seid ihr einziges Samenkorn.

Es ist das Herz, das Angst hat, zu zerbrechen,
das niemals lernt, zu tanzen.
Es ist der Traum, der Angst hat, zu erwachen,
der niemals seine Chance ergreift.
Es ist derjenige, der nicht angenommen wird,
der nichts zu geben scheint.
Und die Seele, die Angst hat, zu sterben,
die niemals lernt, zu leben.

Wenn die Nacht zu einsam
und die Straße zu lang gewesen ist,
und wenn Ihr denkt, dass Liebe nur denen zusteht,
die Glück haben und stark sind,
dann erinnert Euch einfach daran, dass im Winter,
tief unter dem bitterkalten Schnee,
das Samenkorn liegt,
das mit Hilfe der Liebe der Sonne im Frühling
zur Rose wird.


Bei "The Rose" handelt es sich um einen zwar sehr poetischen, aber unter banalen grammatikalischen Aspekten trotzdem hochgradig "sauberen" Text.
Wir finden Verben in mehreren Zeitformen vor, die korrekt angewendet wurden (He - she - it, das "s" muss mit! und zwei wunderschöne Present Perfect-Beispiele).
An Vokabular hat "The Rose" sehr viele einfache, aber häufig benötigte Begriffe zu bieten, darunter sehr viele Verben.

Ich habe mich bei der Übersetzung von "you" in der ersten und dritten Strophe für "Ihr", anstatt für "Du" entschieden, weil der Song meiner Ansicht nach immer an mehrere, mindestens aber zwei Personen gerichtet ist. Man stelle sich nur einfach die großartige Bette Midler auf der Bühne vor ihrem Publikum vor, oder die Sängerin, die es auf einer Hochzeitsfeier für das Brautpaar singt, oder auf einer Trauerfeier für jene, die verzweifeln wollen, weil sie befürchten müssen, dass Liebe eben doch nicht immer ausreicht. Aber das ist eben nur meine Meinung. Eine Übersetzung mit "Du" wäre ebenso korrekt.

Grundsätzlich ist bei Übersetzungen zu beachten, dass nicht immer (eigentlich nur sehr selten) "Wort für Wort" übersetzt werden sollte, wenn zum einen ein gut klingender, zum anderen verständlicher deutscher Text dabei herauskommen soll!

Der Text eignet sich außerdem für Ausspracheübungen daheim, da er langsam gesungen wird und deshalb auch akustisch gut nachzuvollziehen ist.


Vocabulary:

river - Fluss
to drown - hier: ertränken
tender - zart
reed - Schilf
razor - Rasiermesser
to leave - verlassen, zurücklassen
soul - Seele
to bleed - bluten
aching - schmerzend, schmerzhaft
need - Verlangen, Bedürfnis
seed - Saat, Samenkorn
to be afraid of - sich fürchten vor
heart - Herz
to give - geben
to live - leben
to seem - scheinen
cannot - kann nicht
to die - sterben (aber present progressive-Form: dying!)
to learn - lernen
to dance - tanzen
dream - Traum
to wake - erwachen
to take a chance - eine Chance nutzen, aber auch: ein Risiko eingehen
to take - nehmen (unregelmäßiges Verb: take - took - taken)
lonely - einsam
to be lucky - Glück haben (nicht: glücklich sein!)
lucky one - Glückspilz
strong - stark
to think - denken, glauben
to remember - sich erinnern
just - "Never use 'just'; it's a filler word."--John Lennon. Aber wer sich trotzdem bedienen möchte, der klicke den Link.
far - weit
beneath - unter
bitter - hier: bitterkalt
snow - Schnee
to lie - hier: liegen
spring - Frühling
to become - werden (!)


Erklärung:
Die deutschen Übersetzungen der Songtexte in allen Kapiteln der Kategorie "Learning English with Lyrics" wurden nirgendwo kopiert, abgeschrieben oder sonstwie entlehnt, sondern von mir persönlich angefertigt.
Etwaige Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen mit bereits irgendwo in den Weiten des Internets vorhandenen Übersetzungen sind allerdings nicht rein zufällig, sondern rühren daher, dass es zwar rein theoretisch mehr oder weniger unendlich viele Möglichkeiten gibt, einen fremdsprachigen Text ins Deutsche zu übersetzen, aber nicht alle davon Sinn ergeben. Und im Falle einer Ähnlichkeit oder Übereinstimmung hat entweder der Inhaber der Seite mit der ähnlichen oder übereinstimmenden Übersetzung von mir abgeschrieben, oder wir waren uns einfach nur einig darüber, welches die beste Übersetzung ist.
Von den Inhalten der Seiten, auf die die Links dieser Seite verweisen, distanziere ich mich ausdrücklich.

Hamlet und Brutus – Ein kurzer Vergleich der Figuren Shakespeares

Friedrich Schiller bezeichnete 'Hamlet, Prinz von Dänemark' als "Tragödie des Denkens". Ein Terminus, der durchaus auch auf 'Julius Cäsar' passen könnte, soweit es die Figur des Marcus Brutus betrifft. Es sind beides große 'Denker', allerdings mit unterschiedlichem Erfolg.

Der Stoiker und der Gefühlsmensch
Beide, Hamlet und Brutus, sind 'tragische Helden', die an der ihnen gestellten Aufgabe zugrunde gehen.
Ein erster, äußerlicher Unterschied jedoch offenbart sich in der Tatsache, dass Brutus als Stoiker seine Gefühle nie zeigt, während Hamlet sie offen ausdrückt. Er macht keinen Hehl daraus, wenn er liebt (seine Eltern, Ophelia, Yorick) und wenn er hasst (Claudius) oder verachtet (Polonius, Rosenkrantz & Guildenstern).

Der Rächer und der Bewahrer
Hamlet und Brutus stehen beide vor der schrecklichen Aufgabe, das Oberhaupt ihres Staates zu töten.
Hamlets Beweggrund ist ein Racheauftrag, ihm übertragen vom Geist seines von Bruderhand ermordeten Vaters und vorherigen Königs. Hamlet soll einen Königsmord begehen, um einen Königsmord zu rächen. Das elisabethanische Publikum war hin und her gerissen zwischen dem Entsetzen über den Mord am von Gott eingesetzten Monarchen und der Abscheu über den Brudermord. So ist bald nach Beginn des Stückes klar: Claudius, der Brudermörder und neue König, ist ein Monster, Hamlet dagegen derjenige, der "zur Welt, sie einzurichten, kam!" (Akt I, Szene 5)

Das Motiv des Brutus ist die Vaterlandsliebe, das Monster, das es zu erschlagen gilt, ist der Ambitionen entwickelnde Julius Cäsar, welcher "wünscht, gekrönt zu sein." (II, 1) Cassius macht sich den Idealismus des Brutus zunutze und gewinnt ihn für eine Verschwörung, die die Republik bewahren soll. Er schürt in ihm die Angst von etwas, das Cäsar werden könnte und lässt ihn vergessen, was Cäsar ist, nämlich sein Freund, von dem er eigentlich noch nie erlebt hat, "dass ihn die Leidenschaften mehr beherrscht, als die Vernunft." (II, 1)

Hamlet soll die aus den Fugen geratene Welt wieder einrenken, Brutus will verhindern, dass eine solche Unordnung zustande kommt.


Denken und Handeln
Brutus erfüllt seine Aufgabe nach langer Überlegung. Er kommt zwar bald nach der Überzeugungsarbeit des Cassius zu dem Schluss "Es muss durch seinen Tod geschehen." (II, 1) Aber auch danach noch wägt er doch das Für und Wider gründlich ab. Aber schließlich hat er sich entschieden und weicht nicht mehr von seinem Vorhaben. Dennoch fällt es ihm keineswegs leicht, seinen Freund einem Ideal zu opfern. Er hat lange überlegt und sich die Entscheidung natürlich nicht leicht gemacht.
"Seit Cassius mich spornte gegen Cäsar, schlief ich nicht mehr." (II, 1)
Er ist dann auch erst der Letzte, der schließlich auf Cäsar einsticht.

Hamlet denkt bekanntermaßen oft und lange nach, aber nicht in erster Linie über den Auftrag, seines Vaters Tod zu rächen. Er wird bereits durch seines Vaters Tod und die schnelle zweite Ehe seiner Mutter zum Inbegriff des Melancholikers. Nach der Unterredung mit dem Geist seines Vaters, packt ihn endgültig der Weltschmerz und wird zum Hauptmotiv seiner Gedanken: "Wie ekel, schal und flach und unersprießlich scheint mir das ganze Treiben dieser Welt!" (I, 2)
Aber Hamlet vergisst seinen Auftrag nicht. Er wird nur durch langes Grübeln am Handeln gehindert. Hamlet trifft Claudius eines Abends alleine an, nutzt aber seine Chance zur Rache nicht, da ein Gedanke ihn bremst.
Ein entschlossenes, akutes Handeln Hamlets an genau dieser Stelle hätte übrigens geschlagene sieben Menschenleben gerettet (Polonius, Rosenkrantz, Guildenstern, Ophelia, Laertes, Gertrud, Hamlet selbst)!
Kurz darauf, während einer zornigen Konfrontation mit seiner Mutter, hört er Polonius hinter dem Vorhang, zückt er sein Schwert und sticht zu, in Erwartung, den König vor sich niederfallen zu sehen. Eine erfolgreiche - wenn auch fehlgeleitete – Affekthandlung, ohne vorherige Überlegungen.
So ist auch letzten Endes der Mord an Claudius nicht das direkte Ergebnis einer umfangreichen Diskussion Hamlets mit sich selbst und seinem Gewissen, sondern er tötet auch ihn im Affekt, aus Anlass der sich überstürzenden Ereignisse, denn er rächt damit sich und seine Mutter.

Brutus muss denken, bevor er handeln kann; Hamlet darf nicht erst denken, wo  er handeln muss.



Primärquellen:
Shakespeare, William: Hamlet, Prinz von Dänemark, Übersetzt von A.W. v. Schlegel, Reclam Verlag, Stuttgart, 1969
Shakespeare, William: Julius Cäsar, Übersetzt von A.W. v. Schlegel, Reclam Verlag, Stuttgart, 1969

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Author's remark to whom it may concern: I'm still a Stratfordian!


Sonntag, 22. April 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 11: Zu Philippi will ich denn dich sehn

Zu Philippi will ich denn dich sehn

Sein Atem ging schwer. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Mühsam richtete Markus sich auf, lehnte sich gegen den dunkelblauen BMW und betrachtete das blutige Messer in seiner zitternden, mit schwarzem Leder bekleideten Hand.
Er sah an sich herab und beobachtete für ein paar Momente fasziniert das dunkelrote Glitzern auf seiner Jacke im zarten Licht der Mittmärz-Morgensonne. In der nächsten Sekunde stürzte er unter einer Magnolie auf Knie und Hände und übergab sich.
In seiner Phantasie war alles viel leichter gewesen. In seiner Phantasie hatte sich der ältere Mann schweigend und ohne Gegenwehr seinem Schicksal ergeben. In Wirklichkeit aber hatte Universitätspräsident Professor Dr. König nach der ersten Schrecksekunde, nachdem er Markus und dessen Absicht erkannt hatte, um Hilfe geschrien.
Niemand würde ihn hören, dessen war sich Markus längst sicher, als er sich seinem Vorgesetzten näherte, der bereits auf dem kurzen Weg zwischen Haus und Wagen seine Rede für die heutige Sitzung des Universitätssenats geübt und Markus erst im letzten Moment entdeckt hatte.
Das Haus lag weit genug vom benachbarten Grundstück entfernt, die Ehefrau war auf ihrem halbjährlichen Wellnessurlaub zusammen mit ein paar anderen Professorengattinnen.
Trotzdem hatte Professor Königs heftige Reaktion Markus aus dem Konzept gebracht, und er war fast zu langsam gewesen. Sein Zögern hatte dem Professor die Gelegenheit gegeben, mit der Aktentasche nach Markus zu schlagen. Fast wäre ihm dabei das Messer aus der Hand gefallen!
Dann aber hatten Panik und Wut von Markus Besitz ergriffen. Er hatte seinen alten Doktorvater gegen die Hauswand gestoßen und zugestochen, zugestochen, zugestochen, einundzwanzig-, zweiundzwanzig-, bestimmt dreiundzwanzigmal.

Nun kniete er hier, von seines Dienstherrn Blut bepurpurt und zitternd in seinem eigenen Erbrochenen und war den Tränen nahe. Warum eigentlich? Der erste Schritt seines Planes war doch geglückt. Und zugleich der wichtigste. Wirklich schwierig würde es erst noch werden.
Er stand auf und atmete ein paarmal tief durch die Nase ein. Die kalte Morgenluft half ihm, seine Gedanken zu sortieren.
Er zählte innerlich bis drei, dann zwang er sich, in die Innentaschen des Toten zu greifen und seine Brieftasche und das Mobiltelefon herauszuholen. Ein Raubmord sollte es gewesen sein! Nun noch die Aktentasche. Markus fand sie halb unter das Auto gerutscht und nahm sie an sich.
Den BMW hatte Professor König bereits entriegelt und die Fahrertür geöffnet gehabt. Markus überlegte. Sollte er sich den Wagen auch noch vornehmen? Würde ein Raubmörder erwarten, im Handschuhfach eines Universitätsprofessors Wertsachen zu finden?
Sicherheitshalber schwang er sich auf den Fahrersitz, lehnte sich hinüber und öffnete das Handschuhfach. Er wühlte mit der rechten Hand darin herum und zog den Inhalt heraus, so dass dieser sich auf dem Boden und dem Beifahrersitz verteilte. Er fand jedoch nichts, was mitzunehmen sich gelohnt hätte.
Er stieg wieder aus dem Wagen und ging zum Tor hinunter. Vorsichtig blickte er nach rechts und links. Er war immer noch allein, wie erwartet. Er lief zu seinem eigenen Auto, das er einige Meter entfernt auf der asphaltierten Einfahrt zu einem Waldweg geparkt hatte.
Er zog den rechten Handschuh aus und öffnete den Kofferraum, in dem sich einige blaue Müllsäcke befanden. In einen davon steckte er des Professors Aktentasche, die Brieftasche und das Telefon. In einen anderen stopfte er seine Handschuhe und Jacke. Diesen ließ er seine Schuhe und Jeans folgen, und zog frische Kleidung an.
Als Markus endlich hinter dem Steuer seines Wagens saß, merkte er, wie stark er noch schwitzte. Nach Hause zu fahren und zu duschen fehlte ihm jedoch die Zeit. Um Zehn begann seine Vorlesung, zu der er nicht zu spät kommen durfte. Um die gefährliche Fracht in seinem Kofferraum würde er sich erst heute Abend kümmern können.
Auf der Fahrt zur Universität ging Markus in Gedanken noch einmal alle Eventualitäten durch. War die Gefahr nun endgültig gebannt? Hatte Professor König sein brisantes Wissen, mit dem er Markus zu erpressen versucht hatte, möglicherweise irgendwo schriftlich niedergelegt? Oder hatte er das Wissen um die Tatsache, dass seine eigene verheiratete Tochter ein Verhältnis mit einem Dekan seiner Universität hatte, noch dazu dem seiner eigenen Fakultät, mit ins Grab genommen?
Das zumindest hoffte Markus. Nun würde niemand mehr versuchen, ihn zu zwingen, seine Position und vielversprechende Karriere aufzugeben, seine Alma Mater, seine Geliebte Julia und seine Heimatstadt zu verlassen.
Markus fuhr auf seinen Parkplatz vor dem Gebäude der Philologischen Fakultät, stellte den Motor ab und schloss die Augen.
Jetzt galt es, Ruhe zu bewahren. Niemand ahnte etwas. Niemand würde einen Zusammenhang sehen. Professor König hatte sich sicher niemandem anvertraut. Auch Julia hatte keine Ahnung, dass ihr Vater über sie beide Bescheid wusste. Das hatte Markus durch vorsichtiges Nachfragen bei ihrem letzten Treffen vor zwei Tagen herausgefunden.
Er atmete tief ein und öffnete die Augen. Sein Blick fiel auf den Rückspiegel, und auf die Reflexion darin! Das bleiche Gesicht Professor Königs! Er stieß einen Schrei aus und warf sich herum.
Nichts. Der Rücksitz war leer.
Markus schluckte ein paarmal, aber sein Mund war plötzlich von sandiger Trockenheit. Er schüttelte den Kopf und zwang sich zur Ruhe. Schnell stieg er aus und zog dabei seine Aktentasche vom Beifahrersitz mit sich. Er schloss die Autotür und verriegelte den Wagen.
Er sah an sich hinunter und erstarrte. Von der zerschrammten und verkratzten Aktentasche in seiner Hand tropfte Blut auf seine Schuhe. Das war nicht seine Tasche, sondern die Professor Königs! Wie war das möglich? Die hatte er doch in eine Tüte gesteckt und im Kofferraum verstaut!
Rasch lief er um seinen Wagen herum und griff nach dem Kofferraumriegel.
"Morgen, Professor Ruga!"
Markus wirbelte herum und ließ die Tasche fallen. Er blickte in die lächelnden Gesichter zweier Studenten, die sein Hauptseminar besuchten.
"Alles in Ordnung, Professor Ruga?" fragte der größere der beiden jungen Männer, während der andere langsam auf Markus zu ging, sich bückte und ihm die Aktentasche reichte.
Markus starrte die Aktentasche an. Seine Aktentasche. Ohne Kratzer, ohne Blut, dunkelbraun, nicht schwarz wie die des toten Universitätspräsidenten.
"Professor?" Der kleinere Student hielt ihm immer noch die Tasche entgegen.
Langsam griff Markus danach. Er brachte ein gezwungenes Lachen fertig. "Ach, danke, meine Herren. Ich dachte … ich dachte, ich hätte etwas vergessen, aber ich habe mich doch geirrt. Ich sehe Sie dann heute Mittag."
Die beiden Studenten lächelten gequält und gingen schweigend weiter zum Hörsaalgebäude.
Markus ging schnellen Schrittes ins Fakultätsgebäude, lief die Treppe in den ersten Stock hinauf und betrat die Herrentoilette. Erleichtert stellte er fest, dass sie leer war. Er stellte die Aktentasche auf dem Boden ab und drehte den Wasserhahn auf. Zunächst kühlte er sein aufs Neue schweißüberströmtes Gesicht. Dann spülte er sich den Mund aus, um den letzten Geschmacksrest von Erbrochenem loszuwerden.
Er richtete sich auf und sah in den Spiegel.
Hinter ihm stand Professor König! Bleich und blutend!
Markus blieb der Schrei diesmal in der Kehle stecken. Er rannte los Richtung Tür und stolperte dabei über die Aktentasche. Ohne sich umzublicken, rappelte er sich auf, lief weiter und zerrte die Tür hinter sich zu.
Zitternd und nach Atem ringend blieb er an die Korridorwand gelehnt stehen.
"Geht es Ihnen nicht gut, Professor Ruga?"
Markus fuhr zusammen und sah sich seiner Sekretärin gegenüber. "Hach, Frau Marius. Nein, ich …"
Die Aktentasche! Er hatte sie in der Toilette gelassen! Er musste noch einmal dort hinein! Alleine? Er konnte wohl kaum seine Sekretärin bitten, ihn auf die Herrentoilette zu begleiten. Er hatte sich bis jetzt schon verdächtig genug verhalten.
"Oh, warten Sie mal bitte kurz?" bat er sie.
"Selbstverständlich, Herr Professor."
Langsam öffnete er die Toilettentür, stückweise, bis er in den großen Raum hineinsehen konnte. Da lag seine Tasche. Von Professor König keine Spur. Er riss die Tür vollständig auf, sprang hinein, griff nach seiner Aktentasche und war bereits wieder auf dem Korridor, noch bevor sich die Tür überhaupt hatte schließen können.
Frau Marius sah ihn fragend an. "Was kann ich denn für Sie tun, Professor Ruga?"
"Ach, lassen Sie mal gut sein. Das hat noch Zeit bis nachher. Aber wenn ich aus der Vorlesung komme, dann würde ich mich über einen starken Kaffee sehr freuen."
"Aber gerne, Herr Professor. Wollen Sie nicht vielleicht sofort eine Tasse …?"
"Nein, danke, ich bin schon spät dran," antwortete Markus, während er bereits wieder den Korridor entlang hastete.

Im Hörsaal angekommen, schwang Markus seine Aktentasche auf das Pult, öffnete sie und entnahm ihr seine Vorlesungsaufzeichungen. Er schloss die Tasche und stellte sie neben dem Pult ab.
Er warf einen Blick auf die Uhr. Eine Minute vor Zehn. Er schaltete das Mikrophon ein und holte tief Luft.
"Guten Morgen, meine Damen und Herren." Sein Mund war immer noch trocken. Er leerte das bereitgestellte Glas Wasser in einem Zug, bevor er fortfuhr.
"Wir haben uns letzte Woche mit der Frage befasst, ob das Erscheinen des blutigen Dolches und von Banquos Geist bei Macbeths Krönungsmahl eher Zeichen aufkeimenden Wahnsinns oder übernatürliche Phänomene …"
Mit einem Mal war Markus' Gehirn leer. Dort, in der zweiten Reihe, saß Professor König. Bleich, blutig und den starren Blick auf ihn gerichtet.
Markus kniff die Augen zusammen. Jetzt nur nicht durchdrehen, zwang er sich zu denken. Er öffnete die Augen. Der Sitz in der zweiten Reihe war leer.
"Professor Ruga?" Eine Studentin in der ersten Reihe hatte die Hand gehoben. "Entschuldigung, Professor, aber Macbeth haben wir doch vor einigen Wochen schon abgeschlossen. Wir wollten doch heute über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Hamlet und Brutus sprechen."
Markus begann, in seinen Papieren zu wühlen. Wie konnte er sich nur so irren? Natürlich hatte sie Recht.
Er räusperte sich. "Selbstverständlich. Hamlet. Brutus. Wie auch Macbeth haben Hamlet und Brutus Blut an den Händen. Aber warum ist uns Hamlet sympathischer als Macbeth? Warum haben wir Mitleid mit Brutus, aber schütteln über Hamlet den Kopf? Was hat sie zu den Taten getrieben, die sie …"
Der tote König! Da saß er wieder, nun auf der anderen Seite des Hörsaales weiter oben!
Das bildest du dir ein! Rede weiter! "Brutus," Markus schluckte. Das Sprechen fiel ihm schwer, "hatte keine Wahl. Er musste Caesar töten. Sonst wäre alles rausgekommen."
Verschwommen sah Markus, wie einige Studenten einander anschauten, den Kopf schüttelten, die Stirn runzelten.
Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt, oder?
"Sonst wäre," begann er erneut, "die Republik zugrunde …"
Markus taumelte vom Rednerpult zurück. Dort lag sein Messer, blutglänzend, zwischen seinen Notizen.
Er sah auf, und dort, neben der ersten Reihe, stand Professor König und starrte ihn an. Markus wich an die andere Wand des Hörsaales zurück. Einige Studenten standen auf, manche näherten sich ihm, andere begannen, langsam die Stufen zu den Türen hinaufzusteigen.
Eine der Türen öffnete sich. Drei Männer und eine Frau traten ein. Zwei der Männer trugen Uniformen. Polizei! Und die Frau …
"Julia!" Markus dachte nicht daran, dass er sie eigentlich gar nicht kennen durfte, sondern rannte die Stufen hinauf, auf sie zu.
"Das ist er, Herr Kommissar," sagte Julia zu dem Mann ohne Uniform. "Ich habe gesehen, wie er meinen Vater getötet hat. Ich hatte die Nacht bei meinem Vater im Haus verbracht, weil ich so eine merkwürdige Vorahnung hatte. Ich habe durch das Wohnzimmerfenster alles mit angesehen."
Markus wurde schwindelig. Er drehte sich herum und schaute in den Hörsaal hinab. Dort, am Rednerpult, sah er, bevor die Dunkelheit ihn umfing, Professor König, geschmückt mit Blut, dem edelsten der Welt, lächelnd.




Copyright Esther Koch 17. April 2012

Sonntag, 15. April 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 10: Fairytale Gone Bad

Fairytale Gone Bad

Das große gelbe Haus stand einsam auf dem Hügel. Im Kamin brannte ein Feuer. Langsam drehte der junge Mann den blutbefleckten Schuh in den Händen.
"Diese räudigen Rattentöchter," dachte er zornig. "Was glauben die eigentlich, mit wem sie's zu tun haben? Mich betrügen wollen!"
Sie hatten ihre gerechte Bestrafung erhalten. Alle drei. Ein gehässiges Lächeln erschien auf seinen Lippen.
Dass sich die zweite nicht vom Schicksal der ersten hatte abschrecken lassen, war dieser Mutter zu verdanken. Die erste hatte zunächst ihre Zehen verloren. Und als er auf halbem Weg nach Hause den Betrug bemerkt hatte, ließ er ihr von seinem Diener den ganzen Fuß abhacken. Sollte sie doch zu ihrer Mutter zurück kriechen.
Trotzdem hatte daraufhin ihre Schwester einen weiteren Betrugsversuch gewagt. Sie hatte ihre Ferse eingebüßt. Und dann durch die Hand seines Dieners ihr ganzes Bein.
Was hatte sich diese Mutter, diese alte Hexe, nur dabei gedacht? Das erste Mädchen hatte versucht, ihrer Strafe zu entgehen, indem sie ihre Mutter bezichtigte, sie zu diesem perfiden Schauspiel angestiftet zu haben.
Als die zweite ihm dann in der Nähe des Friedhofs jammernd die gleiche Geschichte erzählte, hatte er sie schließlich geglaubt.
Nun, diese böse Hexenzunge würde niemanden mehr dazu bringen, ihn zu hintergehen, lag sie doch nun herausgeschnitten neben ihrer verlogenen Besitzerin auf dem dreckigen Boden seines Kerkers, nur noch ein blutiges Stück Fleisch.
Blutig wie dieser Schuh in seinen Händen.
"Cornelius!" brüllte er.
Ein Diener in blauer Livree betrat den Raum und verbeugte sich: "Euer Hoheit?"
"Hier," der junge Mann warf dem Diener den zierlichen Schuh entgegen, der ihn problemlos mit einer Hand fing.
"Lasse er das reinigen. Und dann sattle er unsere Pferde. Wir werden jenem Haus einen weiteren Besuch abstatten."
"Sehr wohl, Euer Hoheit." Cornelius verbeugte sich erneut und ging lautlos hinaus.
Der Prinz hatte eigentlich sofort gesehen, dass keines der Weiber, die sich ihm bisher vorgestellt hatten, das Wesen sein konnte, mit dem er auf dem Ball getanzt hatte. Und schon gar nicht einer dieser beiden Brauereigäule.
Aber es war das letzte Haus in seinem Reich, das er noch nicht gründlich hatte durchsuchen lassen, notfalls indem er es niederbrennen ließ. Niemand hatte vor ihm seine Töchter zu verstecken!
Er erhob sich und gürtete sein Schwert.
Wenn er nur endlich diejenige finden würde. Diese Anmut und Leichtigkeit. Und nicht zu wissen, wer sie war. Das raubte ihm immer noch den Schlaf. Das musste aufhören.
Wenn er sie nur endlich finden würde...
Er zog seine Wildlederhandschuhe an und ballte die Hände zu Fäusten. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und kniff seine Augen zu Schlitzen zusammen, die Kiefer fest aufeinander gepresst.
… dann würde er ihr als erstes beibringen, ihr Zeug nicht überall herumliegen zu lassen!
Fast hätte er sich damals den Hals gebrochen, als er dieser verfluchten Metze hinterhergelaufen und auf der Treppe über ihren verlorenen Schuh gestolpert war...
"Hexe!" murmelte er und stürmte aus dem Zimmer.

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*

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Anmerkung der Autorin: Danke an Sunrise Avenue, deren Titel mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Und mein innigstes Flehen um Vergebung an die Brüder Grimm.


Copyright Esther Koch 30. März 2012

Sonntag, 8. April 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 9: Fleischesser leben länger

An dieser Stelle muss und möchte ich vorausschicken, dass die Idee zu folgender Geschichte von meinem Sohn Robert stammt, der mir eines Tages eine ganz einfache Frage gestellt hat.


Fleischesser leben länger

"Schon wieder Obst?"
"Was denn sonst, Schatz?"
"Ach, was weiß ich. Lass dir doch mal was Anderes einfallen."
Unverständliches Zeug vor sich hin murmelnd stapfte er davon und ließ seine Frau sitzen, wo sie war, inmitten einer Auswahl herrlicher Früchte, die sie für die Mahlzeit angerichtet hatte.
Sie seufzte und betrachtete sich enttäuscht die Ananasscheiben, die sie besonders liebevoll mit Kiwiwürfeln und Kirschen verziert hatte. Dann stand sie auf und schlenderte in die entgegengesetzte Richtung.
In letzter Zeit meckerte ihr Mann immer am Essen herum. Aber sie konnte ihn ja verstehen. Diese Obst-Diät, auf die man sie gesetzt hatte, kam auch ihr langsam zu den Ohren heraus. Nur wollte ihr gerade nicht einfallen, was sie für sich und ihren Liebsten stattdessen auftischen sollte.
Sie spazierte gedankenverloren durch den Garten, bis sie merkte, dass sie an dieser Stelle noch nie gewesen war.
'Hoppla, hier sollen wir ja eigentlich gar nicht … ' dachte sie und wollte eben umkehren, als sie in ihrer Nähe eine Stimme vernahm.
"Hey, Süße."
Sie blieb stehen und sah sich um.
"Ja, genau du, mein Schätzchen," sprach die Stimme wieder.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und antwortete: "Süße und Schätzchen darf mich nur einer nennen. Und das bist sicher nicht du. Wer immer du bist."
"Komm doch ein bisschen näher, Baby. Dann siehst du mich."
Sie verdrehte die Augen. "Baby? Jetzt reicht's aber gleich." Tatsächlich aber ging sie ein paar Schritte zurück, auf einen prächtigen Baum zu, dessen pralle Früchte einladend von den saftiggrünen Ästen herabhingen.
"Weißt du, was das hier ist?" fragte die Stimme.
"Nee, ist mir auch egal. Jetzt wüßte ich lieber erst mal, wer du bist. Sonst bin ich nämlich weg."
"Schau nach oben, Honey."
Sie trat an den Stamm des Baumes und blickte in die süß-duftende Krone hinauf. "Iiiieeeh!" schrie sie. "Was bist'n du?"
"Das spielt doch keine Rolle," säuselte die Stimme, während ihr Besitzer sich langsam aus dem Baum herab auf die Frau zu bewegte. "Interessanter ist doch, was ich für dich tun kann."
"Und was kannst du für mich tun?" fragte die Frau.
"Siehst du diese Früchte?"
"Ich bin ja nicht blind," zischte sie in die Krone hinauf.
"Diese Früchte," sagte die Stimme, deren Besitzer sich nun auf Augenhöhe mit der Frau befand, "süß und üppig und saftig aber fest und duftend. So wie du, mein Schatz, mit deinen prallen …"
"HEY," rief die Frau. "Halt dich gefälligst zurück, ja? Ich hole jetzt besser meinen Mann." Sie wandte sich ab und machte ein paar Schritte vom Baum weg.
"So warte doch," säuselte das Wesen vom untersten Ast her. "Willst du ihm nicht etwas mitnehmen? Ein Geschenk? Etwas Leckeres?"
Die Frau schnaubte. "Lecker? Ist doch auch nur wieder Obst."
"Jaaa, aber das hier ist ein ganz besonderes Obst."
"Ach ja? Ich sag dir, was daran besonders ist. Es ist GIFTIG!"
"Jaaa, ich verstehe. Euch ist gesagt worden, dass ihr von diesem Obst nicht essen sollt, weil ihr dann angeblich sterbt, richtig?"
Die Frau ging langsam zum Baum zurück. "Das … stimmt. Und?"
"Das war gelooogen. Wenn ihr das hier esst, werdet ihr superschlau und bekommt Superkräfte. Und das will man um jeden Preis verhindern!"
"Ach, tatsächlich?" Interessiert untersuchte die Frau eine Frucht, die besonders weit unten hing.
"Ssicher. Wenn ihr diese Früchte essst, werdet ihr unssssterblich!"
Die Frau trat näher und betrachtete abwechselnd die Frucht und die Kreatur, die nun ebensoweit unten an einem Ast schaukelte.
"Wenn man also von diesem Obst isst, wird man unsterblich?"
"Aber jaaaa, Liebchen. Würde ich dich anlügen?"
Sie zuckte mit den Schultern. "Na, einer von euch lügt wohl auf jeden Fall," murmelte sie.
"Wassss sagssst du?" fragte das Wesen.
"Och, gar nichts. Sag mal … hast du denn von den Früchten gegessen?"
"Ich, äh, nein, wiesssso?"
"Ach, nur so," antwortete die Frau und pflückte die unterste Frucht, die schwer und fest in ihrer Hand lag. Sie hob sie an ihre Nase, dann hielt sie sie hoch ins Sonnenlicht, betrachtete für einen Augenblick die glänzende Farbe und ließ sie wieder herabschnellen.

*****
"Unterschätze niemals eine hungrige Menschenfrau, Baby," dachte Eva, während sie den Schlangenkadaver langsam über dem Feuer drehte. "Adam! Essen ist fertig!"


Copyright Esther Koch 29.02.2012


Roberts Frage lautete übrigens:

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*

*

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"Warum hat die blöde Eva damals eigentlich nicht die Schlange gegessen, anstatt den Apfel?"

Samstag, 7. April 2012

Osterhase mit Bandscheibenvorfall

"Was soll das heißen, 'du glaubst nicht an den Osterhasen'?, frage ich meinen fünf Jahre alten Zweitgeborenen auf dem Heimweg vom Ostersonntagsgottesdienst.
"An den Weihnachtsmann glaubst du doch auch."

"Jaaaa," antwortet er in dem Tonfall, der mir sagt, jetzt kommt was Weises!
"Den Weihnachtsmann habe ich ja auch schon gesehen. Im Dezember. Auf dem Weihnachtsmarkt. Den gibt es also. Aber den Osterhasen, den hab ich noch nie gesehen. Also gibt's den nicht."

"Und den lieben Gott?" frage ich provokant. Immerhin haben wir ja eben so 'ne Auferstehung gefeiert. "Den hast du doch auch noch nie gesehen. Gibt's den dann auch nicht?"

Immerhin überlegt er ein paar Sekunden, bevor er sein Urteil fällt:
"Nein. Den gibt's auch nicht."

Oha, eine interessante Entwicklung, denke ich mir, und eine Herausforderung für die zukünftige Religionslehrerin. Aber die ist ja gleichzeitig Pfarrerin bei uns im Dorf. Deshalb mache ich mir um ihr Seelenheil keine Sorgen, eher um ihre Nerven und ihr Durchhaltevermögen ...

"Aber was ist denn mit Luft?" Nun werde ich endgültig übermütig. "Die kannst du doch auch nicht sehen. Gibt's die dann auch nicht?"

Diesmal ist seine Überlegungspause noch länger. Aber die Logik siegt: "Nein. Luft gibt's auch nicht."

"Aber die atmen wir doch gerade."

Denkpause. "Jaa, stimmt."

"Also," versuche ich, der Rückkehr der kindlichen Unschuld im Sieg über die Logik das Feld zu ebnen, "wenn du Luft nicht sehen kannst, aber es gibt sie offensichtlich doch, kann das nicht auch für Gott und den Osterhasen gelten?"
Dezent ketzerisch formuliert. Hoffentlich belauscht mich keiner aus dem Kirchenvorstand ...

"Najaa, vielleicht," gibt mein Söhnchen leise zu, "gibt's den Osterhasen ja doch?"
Ein hoffnungsvoller Blick, ein Lächeln. Ostern ist gerettet!
Denke ich!

Denn mittlerweile hat uns der neun Jahre alte Cousin eingeholt, der ohnehin zu allem eine Meinung hat und diese auch sehr gerne kundtut. Offensichtlich hat er unser Gespräch mitbekommen.
"Also ICH weiß, wer der Osterhase ist!" verkündet er.

Ich spüre eine Erschütterung der Ostermacht und befürchte eine neuerliche Zertrampelung des Hasenglaubens. Mensch! Lass doch mein Kind noch ein bisschen länger Kind sein!

"Sooo, du weißt also, wer der Osterhase ist?" frage ich leicht gereizt.

"Jaa, den gibt's nämlich wirklich nicht," kommt prompt die Antwort. "Und den Weihnachtsmann auch nicht!" wird noch eins obendrauf gesetzt.

"Doch! Den Weihnachtsmann gibt's! Den hab ich gesehen!"
verteidigt mein Sprössling die aus optischer Beobachtung logisch geschlussfolgerte Existenz des kräftig gebauten Rotmantels mit Wattebart vom Adventsmarkt.

Um einer Eskalation der Auseinandersetzung vorzubeugen, schalte ich mich ein:
"Ja und? Wer ist denn jetzt der Osterhase?"

"Na, mein Papa!" erklärt der Cousin stolz.

"Der Onkel Tom? Wieso denn der?" berechtigte Zweifel stehen in meines Sohnes Antlitz.

"Na schau doch," erklärt der Große, "Mein Papa ist doch nicht mit in die Kirche gegangen, gell? Der ist zu Hause geblieben. Und da versteckt er jetzt die Nester und die Geschenke."

Große braune Sohnesaugen wenden sich mir erklärungsverlangend zu! Mutter, sprich! Jetzt! Dem neunjährigen Neunmalklug kannst du später noch unauffällig in seinen wohlgeformten Boppes treten.

In der Tat, der Ostergeist ist mit mir und gibt mir Worte ein:
"Ha, weißt du nicht," frage ich den Osterhasen-Sohn, "warum dein Vater nicht in die Kirche mitgegangen ist?" (Die eigentliche, akkurate Antwort darauf würde eine für die Leserschaft zu blumige Sprache benötigen und Worte wie "ausgetreten" und "Antichrist" beinhalten.)

"Ich kann es dir sagen," fahre ich fort.
"Seine Bandscheibe plagt ihn heute mal wieder ganz arg. (Was allerdings auch der Wahrheit entspricht!) Und da kann er nicht so lange auf der hölzernen Bank in der Kirche sitzen. Und jetzt bitte, sag mir doch mal, wie dein Papa mit seiner kaputten Bandscheibe mit einem Weidenkorb auf dem Rücken durch den Garten hüpfen und Nester verstecken soll!"

Zumindest sorgt das Bild, das sich daraufhin offensichtlich in den Köpfen der beiden Jungs formt, für Zweifel auf dem Cousin-Gesicht und ein zufriedenes Grinsen auf dem meines Sohnes.

Möge der Hase noch lange mit uns sein!


Copyright Esther Koch 13.03.2012


Ebenfalls erschienen auf Carolas Hausfrauenseite.

Sonntag, 1. April 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 8: Totenglöckchen

Totenglöckchen

"Man nehme …." Helene beugte sich tief über das aufgeschlagene Kochbuch. "Ja, genau. Was eigentlich nehmen wir diesmal?" Sie richtete sich auf, ergriff das Buch und trug es hinaus in den Garten. Sie legte es auf den runden, grauen Marmortisch und begann, zwischen ihren Kräuterbeeten hindurch zu spazieren.
Sie beobachtete eine Zeit lang die ersten Bienen, die dienstbeflissen in der lauen Aprilluft um die frühen Blüten herumschwirrten. Helene atmete den Duft der Jahreszeit ein und schloss die Augen. "Erdnüsse," erinnerte sie sich, "hatten wir zuletzt."
Sie kaufte nur ungern die wichtigsten Bestandteile für ihre Rezepte. Normalerweise waren die Erzeugnisse ihres Gartens ausreichend. Und vor dem Winter holte sie immer eine große Auswahl an Pflanzen in ihr Häuschen hinein, manche zum Trocknen, manche, um in Töpfen Ableger zu ziehen, die sie dann im Frühjahr teils an ihre Schwestern oder Freundinnen verschenkte und teils wieder im Garten ausbrachte.
Aber gerade im vergangenen Winter hatte sie beschlossen, dass doch ein wenig Abwechslung in ihre Rezepturen kommen sollte.
Helene musste lächeln, als sie an die Flasche Spätburgunder dachte, die sie dem Anwalt zum Geburtstag geschickt hatte, diesem verlogenen, geldgeilen Mistkerl. Dass diese Typen sich nie dafür interessierten, wer sie beschenkte. Die nahmen und gierten und griffen bloß immer alles ab, was sich ihnen bot. Also beschenkte Helene sie großzügig.
Zugegebenermaßen stammte die Idee mit den zermahlenen Nüssen, die sie dem Rotwein zugesetzt hatte, nicht von ihr, sondern aus einem Roman, den sie ein paar Jahre zuvor gelesen hatte. Zudem war es reines Glück gewesen, dass sie von der starken Nussallergie des Anwalts erfahren hatte.
Auch die Muskatnüsse hatte sie selbstverständlich nicht selbst gezogen, die sie gerieben und in Gelatinekapseln gefüllt hatte, um sie dem Geschäftspartner ihres geliebten, seligen Arno anstelle der Vitaminpräparate unterzuschmuggeln, die er ständig im halben Dutzend schluckte.
Wenn er nicht immer diesen Dreck in sich hineingeschüttet hätte, dachte sie mit einem Anflug von Bitterkeit, sondern sich anständig ernährt hätte, mit Gemüse und Obst und Kräutern....
Ihr Blick entspannte sich, als sie ihn über ihren Garten schweifen ließ, der so wunderbare, gesunde Dinge hervorbrachte. So tödliche Dinge, wenn man nur wusste, wie....
Dieser Mistkerl, dachte sie lächelnd. Hat sich immer als Freund präsentiert, aber wo war er, als ihr Arno seine Hilfe gebraucht hätte? Natürlich hatte er nichts mit der Sache zu tun gehabt, behauptete er. Natürlich war das ganz alleine Arnos Idee und Schuld und …
Nun ja, Arnos Geschäftspartner hatte weiterhin fleißig seine … Vitaminpräparate geschluckt und nach wenigen Tagen leider begonnen, zu halluzinieren. Und leider muss er eines Tages eine solche Halluzination ausgerechnet während einer Fahrt mit seinem schicken, gelben Porsche gehabt haben. Sic transit gloria mundi. In Qualm und dem Gestank von brennendem Fleisch in einem schmelzenden Metallhaufen.
Und Arno?
Helene kniete sich zwischen zwei Beeten auf die Erde und ließ sich vom Schmerz der Erinnerung umspülen.
Ihr Arno war ins Gefängnis gegangen. Für etwas, das er nicht getan hatte. Sein Geschäftspartner, der angeblich sein Freund war, sein Anwalt, der ihn hätte entlasten sollen, dieser Richter, der das Urteil gesprochen hatte, der die Untersuchung leitende Kriminalbeamte, der Gefängnisdirektor. Sie alle trugen die Schuld an den Konsequenzen.
Denn Arno hatte schließlich die Strapazen der Haft nicht mehr ertragen. Er war nicht mehr jung, nicht mehr ganz gesund gewesen. Seinen Freitod hatte man allerdings als endgültiges Schuldgeständnis angesehen.
Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Pflege, ein bisschen mehr Interesse des Direktors an den Vorgängen innerhalb seines Gefängnisses hätten Arnos Leben vielleicht retten können. Aber dem Schweinehund war es ja egal gewesen, wie sehr Arno litt, wie sehr sie gebettelt hatte, um eine Verlegung Arnos in ein Krankenhaus mit allen Sicherheitsvorkehrungen, die der Herr Direktor nur für nötig hielt. Aber mit all dem war sie beim … Herrn Direktor auf taube Ohren gestoßen.
Seine volle Aufmerksamkeit erfuhr interessanterweise das Chutney aus grünen Tomaten, das sie ihm um Weihnachten herum schickte, versetzt mit einer beträchtlichen Menge pürierter, roher, grüner Samenbeeren ihrer selbstgezogenen Kartoffeln. Nichts ging doch über dieses wunderbare Solanin in entsprechender Dosierung. Und nichts, was eine gehörige Portion Knoblauch nicht geschmacklich wunderbar getarnt hätte.
Ganz besonders stolz aber war sie auf den Aufguss und die Lotion aus ätherischen Ölen, den sie dem Richter hatte zukommen lassen, diesem fetten, bestechlichen Schwein, das seinen Wanst allabendlich in seiner privaten Sauna heraushängen ließ.
Ihre ältere Schwester Elisabeth hatte sie darauf hingewiesen, dass das Blausäure entwickelnde Amygdalin nicht unbedingt verzehrt werden musste. Selbstverständlich tat es auch seine Wirkung, wenn es eingeatmet oder, und das war der Clou gewesen, auf schweißnasse Haut aufgetragen wurde.
Helene erhob sich und gluckste bei der Erinnerung an ihre letzte Aprikosenernte, die neben den süßen Früchten natürlich auch eine Unmenge an Kernen mit dieser tödlichen Fracht gebracht hatte.
Sie ging ein paar Schritte weiter und kniete dann vor einem Kräuterbeet nieder, aus welchem ihr ein starker Knoblauchgeruch entgegenwehte.
"Allium ursinum," flüsterte sie schwärmerisch.
Diesen Samstag würde sie einen Kräuterstand auf dem Markt eröffnen. Nur diesen einen Samstag. Sie würde zur Stelle sein, wenn die Ehefrau dieses Kriminalbeamten zum Einkaufen zu ihr kam. Dieses Kriminalbeamten, der die gefälschten Papiere in Arnos Unterlagen versteckt und mit der Verhaftung seine Beförderung gesichert hatte.
Helene würde dieser Frau etwas empfehlen. Ein raffiniertes Bärlauchpesto zu Fettuccine vielleicht? Dann würde sie ihr einen ganz besonders saftigen Bund Bärlauch verkaufen. Nie im Leben würde die Frau die Blätter der Convallaria majalis dazwischen erkennen oder auch nur vermuten.
Lächelnd drehte Helene sich zu dem anderen Beet herum und pflückte ein Blättchen nach dem anderen von dieser anderen Pflanze, die dem Bärlauch zum Verwechseln ähnlich sah, aber leider hochgiftig war.
Dieses Jahr wuchsen sie aber wieder wirklich üppig, diese Maiglöckchen.



Anmerkung der Autorin: Ich selber stehe auch ohne Convallaria majalis nicht so auf Bärlauch, aber wer Lust auf ein nicht-lethales Bärlauchpesto hat, der kann ja mal das von FabrieJacq auf Carolas Hausfrauenseite probieren.

Copyright Esther Koch 26.03.2012